Star Trek und die Welt der Erwachsenen

Das Fernsehen ermöglicht Kindern einen heimlichen Blick in die ihnen ansonsten verschlossene Welt der Erwachsenen, auf die Verhaltensweisen, Probleme und Umgangsformen, die dort gepflegt werden. Insbesondere auch in sonst unerreichbare Milieus. Es ermöglicht das Lernen, Verstehen und Imitieren. Das Fernsehen kann insofern aus seiner Gegenwartsorientierung einen Beitrag zum sozialen Aufstieg leisten, wie es Literatur nicht vermag.

Die moderne Serie hat sich dabei auf einen speziellen Zug der Milieuaufklärung eingeschossen: Der Zerstörung der Mythen von Überlegenheit. Eine typische Serienkonstellation ist die einer Personengruppe, innerhalb derer jeder einzelne durch unverarbeitete Traumata oder schwerwiegende Charaktermängel vermeintlich interessant gemacht wird, deren Konfrontation einen Großteil der Geschichte trägt. Glaubte man naiverweise an die Dominanz edler Gesinnung unter beispielsweise Ärzten, Polizisten oder Anwälte – dieser Glaube wird in diesen Milieus spielenden Serien entschlossen bekämpft. Nicht einmal Superkräfte verschaffen da Abhilfe. Die Eliten haben ihren Elitenstatus durch die Bank moralisch nicht verdient.

Eine Serie meiner Jugend war da diametral anders. Bei Star Trek wurde ein anderes Bild gezeichnet, auf durchaus nachvollziehbare Weise: Die Menschheit hat in den 300 Jahren von heute bis zum Serienzeitalter nicht nur materiellen und technologisch, sondern auch sozialen und insbesondere ethischen Fortschritt erfahren. Auf den seriengegenständlichen Erkundungs- und Forschungsraumschiffen arbeitet zudem die besten dieser bereits insgesamt verbesserten Menschheit. Jeder ist kompetent in der ihm zugeteilten Aufgabe, jeder Sternenflottenoffizier ist im höchsten Maße integer und weder von Charaktermängeln noch von unverarbeiteten Traumata geplagt. Es ist klar zu erkennen, welche Charaktere in ihrer Entwicklung fertig sind, also annähernd vollkommen, und welche sich noch mitten in ihrer Entwicklung befinden, deren Ziel einer Selbstvervollkommnung aber offensichtlich ist und nicht angezweifelt wird.

Man mag – und das Argument ist nicht von der Hand zu weisen – die Geschichten, die sich daraus ergeben, weniger spannend finden als die, die dunklere Charaktere produzieren. Aber als Blick in die Welt der Erwachsenen bildet es einen Kontrast, der doch einiges an Orientierung zu geben vermag.


Menschenbilder im Management

Camus‘ „Mythos von Sisyphos“Aus Camus‘ „Mythos von Sisyphos“ habe ich besonders eine Kontrollfrage mitgenommen, um sie gegen theoretisch-abstrakte Weltdeutungen und die daraus abgeleiteten Strategieempfehlungen zu werfen: Und wenn es wirklich so wäre, was macht das dann aus dem Menschen? Das sprach mit dem Informatiker in mir, der weiß, dass man ab einer gewissen Komplexität Software nicht mehr Zeile für Zeile verstehen kann, sondern stattdessen zum Testen und Bewerten des Outputs übergeht.

Wann immer ich in Managementseminaren sitze oder Managementliteratur lese, werfe ich diese Frage deren Inhalt entgegen. Mit derzeit leider recht unbefriedigendem Ergebnis: Das Menschenbild, das hinter der gegenwärtigen Managementideologie steckt, scheint recht durchgängig – trotz unterschiedlicher Themen und Ansätze – eines zu sein, das den Menschen als ausschließlich gut (und gutmütig) begreift. Ihm stünden noch Hindernisse entgegen, dies auch auszuleben – fehlende Akzeptanz von Emotionen oder mangelhafte Reflektion über Menschlichkeit oder schlechte Organisation –, aber überwinde man diese Hindernisse, dann würde das gute und richtige immer gewinnen (und die Unternehmen dann natürlich auch noch erfolgreicher sein).

Es ist ein durch und durch naives Menschenbild, das konfrontiert mit Büchners Frage, was es ist, das in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet, sich nur abwenden und die Ohren zuhalten kann. Interessant ist das auch deswegen, weil das Bild des klassischen Managers das eines rationalen Entscheiders ist, der um ein realistisches Menschenbild schon als Voraussetzung von Rationalität nicht herum kommt. Dazu steht die aktuelle Managementliteratur in fundamentaler Opposition.


Programmierer und Übersetzer. Stackoverflow und DeepL

Es ist ein Thema der regelmäßigen Klage in den Feuilletons: Der Lohn, den Übersetzer je übersetzter Normseite erhalten, sei seit Jahren nicht gestiegen. Daraus ergebe sich, so wird geschlussfolgert, ein sinkender Reallohn für diese Berufsgruppe. Ich bin mir nicht sicher, ob die Schlussfolgerung stimmt. Denn, was sich die letzten Jahre ebenfalls verändert hat, ist die Produktivität der Übersetzer. Dank digitaler Hilfsmittel wie DeepL ist diese erheblich höher als noch vor einigen Jahren. DeepL hat eine gewaltige Menge von Übersetzungen eingesammelt und findet so – grob gesprochen – zu Sätzen, die jetzt neu übersetzt werden sollen, ältere Übersetzungen oder setzt sogar unterschiedliche ältere Übersetzungen nach einem statistischen Muster in einen Vorschlag zusammen, der häufig eine ziemlich passende Übersetzung ist. Das ganze liefert die Software leicht zu bearbeiten und fertig zum abschließenden Copy & Paste in das Zieldokument. Diese Produktivitätssteigerung führt dazu, dass selbst bei gleichbleibenden Lohnstückkosten – dem festen Lohn je Normseite – bei aber gleichzeitiger Mengensteigerung sich doch ein steigender Lohn für Übersetzer ergibt. Gerade bei durchschnittlichen Übersetzern mit durchschnittlichen Texten wird die Produktivitätssteigerung vermutlich so groß sein, dass auch die Reallöhne gestiegen sind.

Einen ähnlichen Effekt wie DeepL bei Übersetzern hat Stackoverflow für Programmierer: Als ich damals mit dem Programmieren angefangen habe, haben wir auch schon reichlich Google bemüht. Allein: Google lieferte vielleicht hin und wieder mal eine Idee, aber eigentlich nie fertige Lösungsskizzen oder gar per Copy & Paste verwendbaren fertigen Code. Wenn ich heute programmiere – das Hobby verlässt einen ja nicht und eine bessere Form sich mit der eigenen Fehlbarkeit auseinanderzusetzen, als den gerade frisch geschriebenen Code zu debuggen, habe ich bisher nicht gefunden –, bringt mich Google sofort zu Stackoverflow. Dort hatte nicht nur jemand genau das gleiche Problem, es findet sich auch genau der Code, mit dem andere dieses Problem gelöst haben. Fertig formatiert für den Einsatz via Copy & Paste. Dass die Gehälter von Programmierern in den letzten Jahren überdurchschnittlich angezogen sind, hat vermutlich – neben der ungebremsten Nachfrage – etwas damit zu tun, dass Stackoverflow die Produktivität gerade des durchschnittlichen Programmierers erheblich gesteigert hat. Programmierer lösen dank der Unterstützung mehr Probleme in kürzerer Zeit. Sie verdienen daher auch mehr, selbst wenn der Arbeitgeber ihnen umgelegt nicht mehr pro Stück Problemlösung zahlen würde, die Lohnstückkosten für ihn also gleich geblieben sind.

Das Profitieren von digitalen Tools, eine intellektuell anspruchsvolle und doch vergleichsweise repetitive und Mustern folgende Tätigkeit und dass in beiden Berufsgruppen das Home Office so deutlich präferiert wird: sowieso scheinen mir Übersetzer und Programmierer recht viel gemeinsam zu haben.

Gepostet am 26.11.2022 um 10:35 Uhr | Kategorie: Technologie

Kränkende Geschichts­betrachtung

Die drei großen Kränkungen der Menschheit – dass die Erde nicht Mittelpunkt des Universums ist (Kopernikus), dass der Mensch vom Affen abstammt (Darwin) und dass wir auch nicht Herr im eigenen Kopf sind (Freud) – haben wir eigentlich ganz gut verwunden. Theoretisch interessant, pointiert formuliert (wieder Freud), aber im Alltag doch nicht wirklich zu spüren.

Eine andere Kränkung dagegen ist sehr gut zu spüren – wenn man ihr denn nicht bewusst ausweicht: Die Beschäftigung mit der Geschichte. Man mag für einen kurzen, naiven Moment glauben, dass die Probleme vor denen man persönlich, die Gesellschaft oder die gesamte Welt steht, einzigartig und besonders schwerwiegend seien. Schon der oberflächliche historische Blick lehrt: Sie sind es nicht. Wirtschaftsgeschichte ist sowieso ziemlich repetitiv, der Wandel verläuft derzeit vergleichsweise langsam und arm an Konsequenzen für Betroffene (neue Webseiten vs. Industrialisierung). Die Gesellschaft war einst deutlich gespaltener bis hin zum Bürgerkrieg (Weimarer Republik), davon sind wir heute doch recht weit entfernt. Und neben der drohenden Auslöschung durch einen Atomkrieg mag man auch den Klimawandel für beherrschbarer halten, zumal für diesen nebenwirkungsarme Lösungen bekannt sind (Atomkraft).

Dass die eigenen Probleme im historischen Vergleich einigermaßen klein und lösbar erscheinen, ist die viel größere Kränkung. Als führten wir – allem „Reenactment“ früherer Auseinandersetzung zum Trotz – doch nicht heldenhaft den schwersten Kampf aller Zeiten, sondern ein eher geringfügiges Nachgefecht.


Mehr Deutsch­unter­richt!

Auch wenn man es uns an manchen Stellen mit kreativen Designs, bunten Bildern und bombastischen Videos vergessen machen möchte: Das Internet ist im Kern ein Medium zum Austausch von verlinktem und verlinkendem Fließtext. Ob Websites, Emails oder Chats: Im Mittelpunkt stehen lange und kurze Texte und davon hat sich eine überwältigende Masse angesammelt. Die primäre Kulturtechnik zum Konsum und zur produktiven Nutzung des Internets und seiner Inhalte ist daher das Lesen.

Informatikunterricht in der Schule ist vermutlich nicht verkehrt, leitet er doch für eine Minderheit über in eine IT-Karriere. Aber das wichtigste Schulfach für den Umgang mit dem Internet für wirklich alle ist das Fach Deutsch. Je besser man lesen kann, sprich: je besser man komplexe Texte erfassen, verstehen und einordnen kann, desto mehr kann man mit dem Internet anfangen und desto mehr Nutzen (und Freude) kann man aus diesem ziehen.

Deswegen sollte sich, wer an das Internet glaubt, vor allem für einen befähigenden Deutschunterricht einsetzen. Das ist noch wichtiger als jedes Engagement für mehr Informatikschulstunden.

Gepostet am 03.09.2022 um 20:08 Uhr | Kategorie: Technologie

Dissertation: „Glasfaserausbau im deutschen Tele­kom­muni­kations­markt“

Eine schnelle Internetanbindung für Haushalte und Unternehmen in Deutschland ist von der Politik als ein wesentlicher Treiber für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes im 21. Jahrhundert erkannt worden. Die wirtschaftliche Entwicklung hinge dabei erheblich davon ab, mit einer entsprechenden Anbindung die Digitalisierung voranzutreiben. Absehbar würden aber die Bandbreiten, die auf dem heute dominierenden DSL- beziehungsweise Kupfernetz erreicht werden, nicht mehr ausreichen, um den steigenden Bandbreitenhunger neuer Dienste, wie Cloud-Anwendungen bei Unternehmen oder „Virtual Reality“ bei Privatkunden, zu bedienen.

Die Antwort der Politik darauf lautet seit mehreren Jahren: Deutschland müsse flächendeckend mit einem neuen Glasfasernetz versorgt werden. Trotzdem ist erst eine vergleichsweise geringe Anzahl an Haushalten mit einem Glasfaseranschluss ausgestattet. Bisher wurden rund zehn Prozent der Haushalte, also rund vier Millionen, mit Glasfaser angebunden und erst in rund 1,5 Millionen dieser Haushalte wird der Glasfaseranschluss auch aktiv genutzt. Daher gibt es in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion darüber, wie hier gegengesteuert werden könnte. Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien von 2017 nimmt das Thema erheblichen Raum ein. So sollten Fördergelder in zweistelliger Milliardenhöhe bereitgestellt werden. Im Koalitionsvertrag der neuen Regierungskoalition von 2021 wird das Ziel einer „flächendeckenden Versorgung mit Glasfaser“ erneut verkündet.
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Gepostet am 16.05.2022 um 12:00 Uhr | Kategorie: Technologie

Die Tragik des Milton Friedman

Milton Friedman gehört zu den wenigen Intellektuellen, denen ich in Managementausbildung und Unternehmenstrainings mehrfach begegnet bin. Ich glaube sogar, ohne das sicher sagen zu können, er ist bisher der einzige. Leider – und das ist die erste Tragik – jedes Mal als Zerrbild.

Natürlich geht es immer um seine Haltung zur sozialen Verantwortung von Unternehmen. Die Tragik beginnt, weil schon sein Kernargument verpasst wird: Natürlich schreibt Friedman, dass schon (1) die dürftige Definition von „sozialer Verantwortung“ Debatten verunmöglicht. Und recht hat er vermutlich auch damit, dass (2) viele Unternehmen wirtschaftlich-motivierte Vorhaben einfach unter diese Überschrift stellen, also sozusagen schummeln. Dass (3) angestellte Manager auf Kosten ihrer Eigentümer persönlich als Wohltäter dastehen wollen – also das klassische Principal-Agent-Problem – stimmt vermutlich ebenfalls. Aber Friedmans wichtigster Punkt ist ein anderer. Capitalism and Freedom, das Buch, in dem er seine Gedanken dazu ausbreitet, handelt vor allem von der Freiheit. Friedman ist vor allem Parteigänger der Freiheit, also dass Interaktionen, Zusammenarbeit und Geschäfte auf der Freiwilligkeit der beteiligten Individuen basieren. Diese Freiheit sieht er im Wirtschaftssystem am besten verwirklicht und diese verteidigt er deswegen dort mit Leidenschaft.

Das Hauptproblem, das Friedman mit sozialer Verantwortung von Unternehmen, die über wirtschaftliche Ziele hinaus geht, sieht, ist die Gefahr, dass bestimmte Ansätze einer sozialer Verantwortung die Sphäre der Freiheit, die Wirtschaft, politisieren. Politische Systeme aber treffen verbindliche Entscheidungen, an die sich jeder zu halten hat, ob er zustimmt oder nicht. Das politische System beruht zwingend nicht auf Freiwilligkeit.

Man kann über Friedmans Argument streiten. Aber eins ist unbestreitbar: Dass sich der Alltag und die Wirtschaft seit Friedmans Zeiten politisiert hat. Das ist die zweite Tragik: Wenn Postmoderne heißt, dass die unterschiedlichen Subsysteme der Gesellschaft aufeinander übergreifen, es also zu einer Verrechtlichung außerhalb des ursprünglichen Rechtssystem, zu einer Verwirtschaftlichung außerhalb des wirtschaftlichen Raumes und eben auch zu einer Politisierung des ganzen Lebens kommt – und da gibt es, glaube ich, heute wenig Widerrede – dann ist für Friedman wirklich nur noch als Zerrbild Platz im Diskurs. Er verteidigt dann eine politikferne Freiheit in der Wirtschaft, die längst verloren gegangen ist.


Disruptive Zeiten – wirklich?

Ich weiß nicht, wie oft ich schon gehört habe, dass wir in disruptiven Zeiten leben würden. So disruptiv, wie noch nie zuvor. Typischer Beleg: Das Benutzerwachstum bei Facebook & TikTok. Der disruptive Superlativ ist natürlich Unfug. Heuristik: Man stelle sich einmal vor, dieses nie zuvor einem Menschen vortragen zu müssen, der 1900 in Königsberg geboren wurde. Oder einem Menschen, der 1820 in Frankfurt geboren wurde. Oder einem, der 1780 in Paris geboren wurde. Überzeugend wird das alles nicht – Facebook! TikTok! Benutzerwachstum! sind einfach kein Maßstab von Gewicht, wenn es um die Disruption von Lebensentwürfen geht. Grüße aus der Jugendliteratur von Klaus Kordon.

Bisher habe ich den disruptiven Superlativ und dessen Verwendung für ein Anzeichen von Naivität gehalten, aber alles in allem für unproblematisch. Da bin ich mir allerdings nicht mehr so sicher, denn einen Nachteil bringt die Haltung, man würde in besonderen Zeiten leben, doch mit: Man versperrt sich die Möglichkeit von der Vergangenheit zu lernen und schneidet sich damit von einer der wichtigsten Quellen von Wissen und Innovation ab. Mit gutem Grund hat einer der erfolgreichen und innovativsten Manager in wirklich disruptiven Zeiten, der Generalfeldmarschall Moltke (Jugend: Däne, Kavallerieangriffe mit Säbel nach Botenritt. Im Alter: Preuße, Artilleriegefechte nach telegraphischer Meldung) in einer seiner größten Innovationen, dem Großen Generalstab, als eine von vier Abteilungen eine kriegsgeschichtliche eingerichtet. Der spätere Erfolg gibt ihm recht: Innovation lernt man auch aus der Geschichte.

Gepostet am 26.12.2020 um 17:35 Uhr | Kategorie: Technologie

Assessment Center

Schulische und universitäre Prüfungen haben etwas artifizielles: Nie wieder im beruflichen Leben wird die Leistungsbewertung so komprimiert auf eine ganz konkrete Prüfungssituation stattfinden, ohne dass das Davor oder das Danach eine große Rolle spielt. Es gibt für Klausuren keine Entsprechung im bürgerlichen Leben.

Noch am nächsten kommen den universitären Prüfungen im Berufsleben Assessment Center bei Einstellung oder Beförderung. Doch geht es bei Klausuren um einen abgegrenzten Stoff, dessen performative Kenntnis abgefragt wird, geht es in Assessment Centern um etwas anderes: Kann der Bewerber die Erwartungen, die an ihn gerichtet sind, (1) erkennen und (2) erfüllen. Schon in der ersten Aufgabe liegt eine Herausforderung: Unterschiedliche Konzerne mit unterschiedlichen offiziell verlautbarten Unternehmenskulturen haben auch unterschiedliche Anforderungen an den Habitus ihrer Neuzugänge. Auch über Hierarchieebenen kann sich die Erwartung verschieben. Es ist die Aufgabe der Bewerber, diese Erwartungen zu (er)kennen. Und dann gilt es auch noch, diese erkannte Erwartung durch gezeigtes Verhalten spontan und womöglich in einer künstlich herbeigeführten Stresssituation auszufüllen.

Damit hat das Assessment Center zwar das artifizielle der Situation mit der universitären Prüfung gemeinsam, es werden anders als bei letzterer allerdings Fähigkeiten getestet, die für den beruflichen Erfolg maßgeblich sind: Erwartungen erkennen und erfüllen zu können, ist ein wesentlicher Eckpfeiler der Konzernkarriere. Im Prüfungsgegenstand ist das Assessment Center damit lebensnah und keineswegs artifiziell.


Zwei Beobachtungen

(i) Seitdem wir ins Homeoffice verbannt sind und ich daher permanent vor einem Monitor, einer Maus und einer Tastatur sitze, male ich wieder viel mehr Powerpoint-Folien selbst. In den letzten Jahren habe ich das nur selten getan. Meistens habe ich nur handschriftlich Skizzen entworfen, diese verteilt und dann in kurzen Meetings die fertigen Folien kommentiert. Typische Führungskraft eben.

(ii) Früher war mein privates Standard-Device ein üblicher Laptop, natürlich mit physischer Tastatur. Die meisten Leerlaufzeiten habe ich damit verbracht, irgend etwas in diese Tastatur zu tippen. Entweder Texte oder ich habe herumprogrammiert oder einfach nur an der Konsole eines meiner Server rumgespielt. Heute dagegen ist mein Standard-Device ein Tablet – ohne physische Tastatur. Die meiste Zeit verbringe ich jetzt damit, Texte zu lesen. Die meisten Websites erreiche ich mittels Favoriten oder mittels Autovervollständigung nach Eingabe der ersten zwei bis drei Zeichen.

Vielleicht bestimmt das Werkzeug das ausgeübte Handwerk stärker als es einem lieb ist.

Gepostet am 02.05.2020 um 20:36 Uhr | Kategorie: Technologie