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Das Schwinden der Selbstironie

Selbstironie ist eine Form des Umgangs mit der eigenen Niederlage. Sie ist eine männliche Form – von Frauen sind traditionell andere, emotionalere Formen gesellschaftlich akzeptiert. Sie ist aber vor allem eine Form, die darauf verzichtet, emotionale Belastung auf andere zu übertragen. Selbstironie unterhält den Rezipienten, sie lässt ihn lachen. Die Belastung belässt sie beim Sender, von diesem fordert sie Disziplin und Menschenliebe. Das Umfeld honoriert sie, wird sie als Prinzip gelebt, gelegentlich dadurch, dass es einen für von Charakter hält.

Selbstironie ist nicht die Form der Gegenwart. Die Forderung nach mehr Emotionalität, hat breite Unterstützung. Auch Männer sind heute dazu aufgerufen, Gefühle zu zeigen. Das ist die logische Folge der egoistischen Auslegung des Individualismus: Warum seine emotionale Belastung allein tragen, wenn einer sich selbst noch so geringe Minderung verschaffen kann, indem er andere zu sich runterzieht? In dieser Welt verschwindet die Selbstironie genauso, wie das hart erarbeitete, logisch argumentierte Sachargument im politischen Diskurs durch die emotionale Einlassung verdrängt wird.

Geschrieben im September 2025 | Kategorie: Betrachtungen

Wer orientiert ist, heimst den Lorbeer ein.

»Wer orientiert ist, heimst den Lorbeer ein. Die neue Welt wurde nach Amerigo Vespucci benannt und nicht nach Kolumbus, der sie entdeckt hatte. Aber Kolumbus glaubte bis an sein Ende, daß er nur einen neuen Seeweg befahren hätte, während Vespucci der erste war, der sich für den Entdecker eines neuen Kontinents hielt. Das war mehr als eine Entdeckung, es war eine Konzeption.

Wer zuerst eine Sache richtig benennt, hat den Vorrang vor dem, der sie zuerst gesehen hat. Beiden überlegen ist derjenige, der eine Sache richtig benennt, bevor er sie gesehen hat.« (Ernst Jünger, Sgraffiti, 1960)

Geschrieben im September 2025 | Kategorie: Zitate

Freiheit gegenüber der eigenen Idee

Der größte Kritiker Friedrich Schillers war er selbst. Einen solchen Verriss auf »Die Räuber«, sein Erstwerk, wie er ihn nach der Veröffentlichung verfasst hat (unrealistische Figuren in einer theoretischen und schwach komponierten Geschichte), hat sonst keiner geschrieben. Natürlich zeigt sich darin das Genie, ein solches Stück erst verfassen und dann auf solchem Niveau kritisieren zu können. Es zeigt sich darin aber auch noch etwas anderes: Schiller hat sich die Freiheit gegenüber der eigenen Idee bewahrt [1].

»Die Räuber« war große Literatur, als es verfasst wurde, war es, als Schiller seine Kritik schrieb, und ist es heute noch. So beständig ist die Welt, in der die meisten von uns sich bewegen, nicht. Was gestern noch eine gute Idee war, muss dies heute nicht mehr sein. Nicht alles, was im Sommer funktioniert, funktioniert auch im Winter. Auch sind unsere Ideen gewöhnlich kleiner als die Schillers. Manager investieren nicht mehrere Jahre in eine einzige Idee, wie es das Verfassen von Literatur verlangt. Man hat gelernt, sich zu diversifizieren – um den Preis, deshalb mit kleineren Ideen vorliebnehmen zu müssen.

Und trotzdem begegnet man ihnen: Denjenigen, die ihre Freiheit gegenüber der eigenen Idee eingebüßt haben, die zu Kritik an ihr nicht mehr fähig sind. Geradezu lächerlich wird es, weil es meist auch noch eine unbedeutend kleine Idee ist. Dabei denkt man doch, zumindest gegenüber der kleinen, zeitenabhängigen Idee sollte man seine Freiheit doch bewahren können.

Geschrieben im September 2025 | Kategorie: Bücher

Selbstbild ohne Korrektiv

Dass das eigene Selbstbild von anderen ohne Einschränkung zum Nennwert akzeptiert wird, ist vermutlich jedermanns Wunsch. Nicht ohne Grund ist Luhmanns primäre Empfehlung zum erfolgreichen Umgang mit Vorgesetzten, diesen ihr Selbstbild zu reflektieren. Wenn der Chef sich für besonders eloquent, besonders innovativ oder besonders durchsetzungsstark hält, dann kommuniziert man mit ihm eben, als wäre er es wirklich. Genauso arbeitet auch die Werbung, die keine Sekunde daran zweifelt, dass wer sich für besonders männlich hält, deswegen besonders männliche Produkte kauft, eben auch besonders männlich ist. Eine schöne Welt, in der man nicht nur so akzeptiert wird, wie man ist, sondern sogar – noch viel besser – so, wie man sich selbst am liebsten sieht.

Viele der gegenwärtigen gesellschaftlichen Konflikte haben damit zu tun, dass einzelne oder Gruppen einfordern, dass ihr Selbstbild von allen anderen ohne jede Einschränkung zum Nennwert akzeptiert wird. Da der Mensch der Disposition nach zur spöttischen Kritik neigt – umso mehr, je weiter Selbstbild und Wirklichkeit auseinanderfallen – kann das letztlich nur unter Einschränkung der Meinungsfreiheit funktionieren. Nur die Drohung mit Strafe kann einstweilen verhindern, dass über Absurdes gespottet wird. Aber kann das auf Dauer funktioniert? Ich habe meine Zweifel. Mit jeder Absurdität steigen die Kosten der Unterdrückung – und der Wille, die Wahrheit auszusprechen, wird stärker. Und uns alle – insbesondere die Mächtigen – durch Feedback des Umfelds in der Realität verankert zu haben, erscheint mir jetzt auch nicht gerade als Schreckenswelt.

Geschrieben im August 2025 | Kategorie: Betrachtungen

Konzerne werden das Richtige tun...

Es ist nicht so, dass Konzerne ihre Economics nicht kennen. In jedem Unternehmen gibt es Menschen, die eins und eins zusammenzählen können und von vorneherein erkennen, welche Anreize ihrem Arbeitgeber in dem System, in dem er sich bewegt, gesetzt sind. Doch sie sind nicht allein. Und warum sollte man nicht versuchen, der Natur, hier in ihrer sozialen Form des ökonomischen Gesetzes (Böhm-Bawerk), zu trotzen, argumentieren andere, der Konzern sei groß, er sei stark, es werde ihm gelingen. Doch am Ende, nach einigem Hin und Her, strategischen Schwenks und Managementwechseln, siegt immer das ökonomische Gesetz und das Unternehmen folgt seinen Anreizen.

Gesprochen mit Churchill: Man kann sich darauf verlassen, dass Konzerne immer das ökonomisch Richtige tun werden – nachdem sie alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben.

Geschrieben im Juli 2025 | Kategorie: Unternehmenskultur