MEINE TEXTE

  

Aporie des teuren Hochgenusses

Es gibt von einem selbst ausgehende Handlungen, bei denen man, egal wie die Sache endet, nur verlieren kann. Offen im Moment der Ausführung ist ausschließlich, wie sehr man verliert.

Eine solche Handlung ist zum Beispiel, sich wider aller Hemmungen irgendwann doch einmal eine sehr, sehr teure Flasche Wein zu gönnen. Noch am wenigsten verliert man, wenn diese Flasche Wein eine Enttäuschung ist. Man hat dann einige hundert Euro in den Sand gesetzt für ein Vergnügen, das man deutlich billiger auch hätte haben können. Wirklich zur Erkenntnis gelangt, ob teurer Wein sich lohnt, ist man auch nicht. Es könnte ja gerade diese eine Flasche – und nur diese eine – so enttäuschend sein, alle anderen teuren Weine sind vielleicht doch Gottesnektar.

Doch es geht noch schlimmer: Was ist, wenn der teure Wein doch so gut ist, wie es sein Preis erwarten lässt? Dann ist man ruiniert. Denn ab sofort wird kein günstigerer Wein mehr munden. Man muss jetzt wirklich Geld verdienen und ansonsten sparsam leben, um sich regelmäßig den fast unbezahlbaren Genuss zu verschaffen. Und wer weiß: Vielleicht sind noch viel teurere Weine ja noch besser? Vom Glück ist man auf jeden Fall jetzt noch viel weiter entfernt.

Geschrieben im April 2019 | Kategorie: Betrachtungen

Re: The Trouble With Talking

Mit der Kommunikation ist das so eine Sache. Man kann nicht nicht kommunizieren (Watzlawick). Trotzdem ist Kommunikation unwahrscheinlich (Luhmann). Und dann muss man sich oft auch noch entscheiden, ob man mündlich oder schriftlich kommuniziert.

Grundsätzlich halte ich die schriftliche Kommunikation der mündlichen gegenüber für überlegen und würde den langen Text jederzeit, zumindest bei komplexen Themen, dem Gespräch oder Vortrag vorziehen. Ich teile auch die Argumente, die Kathrin Passig dazu im Merkur vorträgt, nämlich dass schriftliche Kommunikation eigentlich weniger missverständlich sei als die mündliche und auch weniger anfällig für Diskriminierung. Zwei einschränkende Anmerkungen aus dem Unternehmensalltag heraus für die Praxis will ich dennoch machen:

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Geschrieben im Dezember 2018 | Kategorie: Unternehmenskultur

Das verborgene Engagement

Es heißt ja dauernd, gerade junge Menschen würden sich immer weniger in Vereinen usw. engagieren. Ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt. Denn wie so vieles hat sich auch dieses Engagement in Teilen ins Internet verlagert und dort neue Formen gefunden – nur der Umgang damit ist immer noch ein anderer.

Dass jemand Kassenprüfer beim örtlichen Kleingärtnerverein ist, findet sich sogar im Lebenslauf, mit dem sich bei einen DAX-Konzern beworben wird (schon gesehen!). Dass aber jemand als Poweruser in einem hochspezialisierten Nischenforum sein Wissen und Können teilt oder dass jemand in der Wikipedia in einem speziellen Themenbereich fast jeden Tag Artikel erstellt und andere verbessert, damit wird außerhalb des Betroffenenkreises doch eher verstohlen umgegangen. Ich warte auf den Tag, an dem ich so etwas zum ersten Mal in Bewerbungsunterlagen entdecke.

Geschrieben im Dezember 2018 | Kategorie: Betrachtungen

Spaß bei der Arbeit

Mit Präpositionen im Deutschen ist das so eine Sache. Weil sie unterschiedliche Bedeutungen haben können, verwirren sie manchmal mehr, als dass sie eine Sache klar werden lassen. Dass die Mitarbeiter Spaß bei der Arbeit haben sollen, ist mittlerweile eine hohe Maxime der zeitgemäßen Führung. Doch gerade in diesem Satz kann die Präposition »bei« zu einem Missverständniss führen.

Der erste Gedanke ist, das »bei« zeitlich zu nehmen (ähnlich wie bei: »bei der Abfahrt des Zuges«, »bei Nacht«). Es ginge also darum, dass man während der Arbeitszeit Spaß hat. Das ist auch richtig (Spaß außerhalb der Arbeitszeit ist ganz sicher nicht gemeint), aber noch nicht präzise genug. Natürlich ist die Vorstellung reizvoll, in der Arbeitszeit in den Freizeitpark zu fahren. Dass die Kollegen mit dabei sind, ist dann ein kleiner Preis. Spaß ist dafür zwar der richtige Begriff, doch nachhaltig ist das nicht und das weiß auch jeder. Ich habe noch niemanden sagen hören: »Mein Job ist ziemlich mies, aber einmal im Jahr machen wir eine lustige Fahrt, deswegen würde ich schon sagen, dass ich Spaß bei der Arbeit habe.« So läuft es einfach nicht.

Eigentlich geht es doch darum, dass man arbeitet – also seine Zeit und Energie produktiv und zielbewusst einsetzt – und dabei auch noch, als begleitender Umstand etwas oder etwas mehr Spaß hat. »Bei« ist da die Präposition des begleitenden Umstands (etwa wie »bei größter Anstrengung«). Der Begriff »dabei« beschriebe die Sache präziser. Es geht darum zu arbeiten und dabei auch noch begleitend Spaß zu haben.

Hier aber hilft die einmal jährliche Fahrt in den Freizeitpark nicht. Sie entspricht eher einem Spaß anstelle der der Arbeit, von der man einstweilen befreit ist. Am nächsten Tag aber ist wieder Leiden angesagt.

Geschrieben im Dezember 2018 | Kategorie: Unternehmenskultur

Erfahrung heißt gar nichts.

»Training on the job« ist in der Unternehmenspraxis der wichtigste Teil der Ausbildung: Man legt einfach los mit der Aufgabe, die es zu erlernen gilt. Währenddessen komme man schon nach und nach darauf, wie es läuft. In der Praxis funktioniert das gut – sonst hätte es sich ja auch nicht durchgesetzt – ich will aber behaupten, dass der wichtigste Schritt in einer Zwischenstufe liegt.

Im Sport und bei anderen körperlichen Routinetätigkeiten mag wirklich unmittelbar gelten, dass Übung den Meister macht. Wer regelmäßig Speerwerfen übt, wird dadurch immer besser und besser. Für akademische Tätigkeiten ist der Zusammenhang aber nicht so einfach, allein vom Tun wird da noch niemand besser – man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen (Tucholsky). Der Schlüssel zur Selbstvervollkommnung liegt erst in der Reflektion über das, was man tut. Nur mit der Analyse dessen, was passiert, und im Nachdenken, wie man es noch besser machen könne, entwickelt man sich weiter. Deswegen ist auch Feedback so wichtig. Als Hilfsmittel der Analyse durch Dritte und als Anstoß zur eigenen Reflektion.

Wenn aber die eigene Reflektion das wichtigste Mittel zur eigenen Weiterentwicklung ist, bin ich doch überrascht, wie wenig dieser Prozess von Organisationen typischerweise unterstützt und forciert wird. Ich las in einem Roman mit Handlungsort China, dass der Befehlshaber seine Generäle regelmäßig Essays schreiben ließ. So weit muss man natürlich nicht gehen, auch wenn ich nicht gänzlich abgeneigt bin. Aber etwas mehr kann die Organisation da schon tun.

Geschrieben im Dezember 2018 | Kategorie: Unternehmenskultur