Endgame Fallacy

Komplexität reduzieren zu können und dadurch Sachverhalte diskutierbar und vor allem Probleme lösbar zu machen, ist eine der Kernfähigkeiten in der Moderne. Es gibt dafür unterschiedliche Tricks und Kniffe. Ein Trick, dem ich immer wieder begegne, bezeichne ich als Endgame-Betrachtung: Manchmal sind Entwicklungen komplex, man kann aber relativ gut beschreiben, was für ein Zustand an deren Ende besteht. Man beschreibe also diesen Endzustand und leite daraus dann Handlungen ab, ohne jedes Zwischenstadium mitdiskutieren zu müssen.

Mit dieser Komplexitätsreduktion geht aber gewöhnlich noch etwas anderes einher: Der Verlust von Zeitlichkeit. Und das ist oft problematisch. Denn meistens spielt es eben doch eine Rolle, ob das Endgame sehr zeitnah oder erst in ferner Zukunft erreicht wird – und vor allem auch, ob man sein Eintreten früher herbeiführt oder hinauszögert.

Ein Beispiel: „In the long run we’re all dead“ (Keynes) ist unzweifelhaft richtig. Ob man früher oder später stirbt, ist aber schon nicht unwichtig. „Wenn ich im Endgame eh tot bin, kann ich eigentlich (heute) auch die Nahrungsmittelaufnahme einstellen“ ist daher auch ein offensichtlich depperter Vorschlag. Relativ oft begegne ich allerdings Endgame-Betrachtungen, wo genau so etwas abgeleitet wird.

Man sei also auf der Hut vor dieser Fallacy. Es sei denn, man will betrügen – dafür eignen sich Endgame-Betrachtungen relativ gut...

Geschrieben im Oktober 2019 | Kategorie: Allgemeine Betrachtungen