Freiheit gegenüber der eigenen Idee

Schillers größter Kritiker war er selbst. Einen solchen Verriss auf »Die Räuber«, sein Erstwerk, wie er ihn eigenhändig verfasst hat (unrealistische Figuren, zu theoretisch, schlecht komponierte Geschichte), hat sonst keiner geschrieben. Natürlich zeigt sich da das Genie, ein solches Stück erst zu verfassen und es dann noch auf solchem Niveau kritisieren zu können. Es zeigt sich darin aber auch noch etwas anderes: Dass Schiller sich die Freiheit gegenüber seiner eigenen Idee bewahrt hat [1].

»Die Räuber« war große Literatur, als es verfasst wurde, war es, als Schiller seine Kritik schrieb, und ist es heute noch. So stabil ist die Welt, in der die meisten sich bewegen, nicht. Oft gilt: Was gestern noch eine gute Idee war, muss es heute nicht mehr sein. Nicht alles, was im Sommer funktioniert, funktioniert auch im Winter. Auch sind unsere Ideen meist kleiner als die Schillers. Manager investieren nur in weniges mehrere Jahre des Schaffens, wie es das Verfassen von Literatur verlangen würde. Man hat gelernt, sich zu diversifizieren – um den Preis mit kleineren Ideen vorliebzunehmen.

Und trotzdem begegnet man ihnen: Denjenigen, die ihre Freiheit gegenüber der eigenen Idee eingebüßt haben, die zu Kritik an ihr nicht mehr fähig sind und nicht mehr erkennen können, ob die Idee falsch war oder falsch geworden ist. Komik tritt hinzu, weil es meist auch noch eine ziemlich kleine – um nicht zu sagen unbedeutende – Idee ist. Zumindest der kleinen, zeitenabhängigen Idee gegenüber sollte man doch seine Freiheit bewahren können.

Geschrieben im September 2025 | Kategorie: Bücher