Freiheit gegenüber der eigenen Idee
Der größte Kritiker Friedrich Schillers war er selbst. Einen solchen Verriss auf »Die Räuber«, sein Erstwerk, wie er ihn nach der Veröffentlichung verfasst hat (unrealistische Figuren in einer theoretischen und schwach komponierten Geschichte), hat sonst keiner geschrieben. Natürlich zeigt sich darin das Genie, ein solches Stück erst verfassen und dann auf solchem Niveau kritisieren zu können. Es zeigt sich darin aber auch noch etwas anderes: Schiller hat sich die Freiheit gegenüber der eigenen Idee bewahrt [1].
»Die Räuber« war große Literatur, als es verfasst wurde, war es, als Schiller seine Kritik schrieb, und ist es heute noch. So beständig ist die Welt, in der die meisten von uns sich bewegen, nicht. Was gestern noch eine gute Idee war, muss dies heute nicht mehr sein. Nicht alles, was im Sommer funktioniert, funktioniert auch im Winter. Auch sind unsere Ideen gewöhnlich kleiner als die Schillers. Manager investieren nicht mehrere Jahre in eine einzige Idee, wie es das Verfassen von Literatur verlangt. Man hat gelernt, sich zu diversifizieren – um den Preis, deshalb mit kleineren Ideen vorliebnehmen zu müssen.
Und trotzdem begegnet man ihnen: Denjenigen, die ihre Freiheit gegenüber der eigenen Idee eingebüßt haben, die zu Kritik an ihr nicht mehr fähig sind. Geradezu lächerlich wird es, weil es meist auch noch eine unbedeutend kleine Idee ist. Dabei denkt man doch, zumindest gegenüber der kleinen, zeitenabhängigen Idee sollte man seine Freiheit doch bewahren können.